»Liebe Kaufbeurer, liebe Freunde unseres Fünfknopfes und alle die es vielleicht heute Abend noch werden wollen. Sind wir alle froh, dass unser Wahrzeichen bisher schon fast 600 Jahre überdauert hat. Dass es immer pflichtbewusste Türmer gab die den Fünfknopf und die Stadt vor weiterem Unbill bewahrt haben, so dass es uns nicht so ging wie im Jahr 1462 in Duisburg, als der Türmer neben der brennenden Kerze einschlief und dadurch der Turm der Salvatorkirche ausbrannte.
Ein Besuch beim Türmer
Ich lade Sie ein zu einem Besuch in unserem Fünfknopfturm anno 1903 beim damaligen Turmwächter Höntze. Er war damals schon telefonisch mit dem Rathaus verbunden (übrigens der erste Telefonanschluss in der Stadt Kaufbeuren).
Nachdem wir uns über die mehr als 80 Treppenstufen in den Turm emporgeschwungen haben, sind wir angenehm überrascht über die Häuslichkeit, die sich unser Höchstgestellter dort geschaffen hat. Während das aller höchste Stockwerk die Familienwohnung darstellt, präsentiert sich der darunterliegende Raum als möbliertes, mit den Bildern des Prinzregenten, des Kaiserpaares, schönen Landschaften und Photographien geschmücktes Empfangszimmer, das als besondere Eigenart mit Briefmarken tapeziert ist.
Nicht weniger als 38.000 Marken aller Länder, auf Bogen dicht nebeneinander geklebt, zieren die Wände von oben bis unten. Einer der Rothschilds soll auch mal diese Idee verwirklicht haben, aber ob er so viel echte Marken zusammenbekommen hat wie unser Türmer, das ist noch die Frage.
Vom Fenster blicken wir noch auf unsere liebe Heimatstadt und auf ein herrliches Alpenbild und mit einem dargebotenen Feldstecher entdecken wir im Schatten des Säulings das stolze Königsschloss Hohenschwangau und die nahen Seen. So war dieser Gang kein nutzloser, auch bewies uns ein reichhaltiges Markenalbum daß der Bewohner dieses Turmes auch planvoll zu sammeln versteht. Beim Fortgang sagten wir gern: "Auf Wiedersehen". (Auszug aus "Kaufbeurer Anzeigeblatt" vom 11. März 1903)
Die Nagelung in Kriegszeiten
Im Frühjahr des Jahres 1917, inmitten des vierten Kriegsjahres des Ersten Weltkrieges, entstand die Idee ein Kriegswahrzeichen zu schaffen. Altspittelmüller Richard Wiedemann, beauftragte den Architekten Robert Erdmannsdorffer mit der Planung und in diesem reifte der Entschluss die durch eine unansehnliche Bretterwand verdeckte Maueröffnung des Fünfknopfturmes mit diesem Wahrzeichen zu verschließen.
Mit der Ausführung des 9,70 Meter hohen Schildes wurden der Holzschnitzer Munk aus Augsburg, der anschließend in Kaufbeuren heimisch wurde, Schreinermeister Loher und Malermeister Futterknecht beauftragt.
Großer Festzug aus Anlass der Nagelung
Einer Anzeige vom 4. Mai 1917 entnehmen wir eine Einladung zum Beginn der Nagelung des vorerst in der Schrannenhalle aufgestellten Kriegswahrzeichens. Zu einer kurzen Feier versammelten sich der engere und erweiterte Damenausschuss sowie die Abordnungen der Frauenvereine um 10:15 Uhr an der Schrannenhalle, dagegen beide Herrenausschüsse nebst den städtischen Kollegien und Vereinsabordnungen - welche beabsichtigen sich an der Nagelung zu beteiligen - zu gleicher Zeit im Rathause. Von hier begibt sich der Festzug zur Schrannenhalle wo darauf die Nagelung beginnt.
Um dem Bemittelten wie dem Unbemittelten, dem Großen wie dem Kleinen Gelegenheit zu geben sich an dem Werk zu beteiligen, gab es verschiedene Nägel. Ein goldener Nagel zum Gedenken an die Gefallenen kostet 20 Mark. Ein Nagel für die Jahreszahlen 1914-17 sowie für die Wappenränder 5 Mark, ein Nagel für den äußeren Rand eine Mark und an Soldaten, Schüler und Schülerinnen werden Nägel um 50 Pfennig abgegeben. Bei 6.000 Nägeln träfe es pro Kopf auf unsere Einwohnerzahl einen Nagel.
Ein prächtiger Schlussakt folgte
Dann am Sonntag, den 30. September, dem 70. Geburtstag von General von Hindenburg erfolgte die Einweihung, Enthüllung und Übergabe des Kriegswahrzeichens an die Stadt. Während sich die Festgäste um 10:45 Uhr am Fünfknopf versammelten.
Jugend und Schüler versammelten sich um 10:45 am Kriegerdenkmal, um mit Musik, unter Sang und Klang zum Fünfknopf zu ziehen. Beginn der Feier war präzise um 11:00 Uhr. Bei allenfa llsigem Regenwetter hätte der Festakt in der Halle des Rosengarten stattgefunden.
Nach Festreden von Richard Wiedemann, Bürgermeister Dr. Georg Volkhardt und Magistratsrat Jos. Probst erfolgte die Enthüllung. Kanonenschüsse aus dem nahen Tänzelhölzchen und festliches Läuten aller Glocken der Stadt kündeten von der Übergabe. Aus den drei Fensterehen die im prächtigen Wappen angebracht sind, streuten junge Fräulein in wallendem Haare Blumen auf die Menge herab. Ein prächtiger Schlussakt.
1967 erfolgte dann noch eine große Renovierung des Turmes und 1982 wurden die Nägel des Wappens generalüberholt, wobei das Blech für die großen Nägel verzinkt wurde.
Viele Türme - Ein Fünfknopfturm
So wünschen wir unserem Fünfknopfturm unserem Kaufbeurer Wahrzeichen dass er noch viele Jahrhunderte unsere Vaterstadt bewachen möge. Es gibt mehrere Türme ähnlicher Art und Aussehens in der näheren und weiteren Umgebung.
Aber wohl keinen Fünfknopfturm der aufgrund seiner Lage auf einem Höhenzug mitten in der Stadt in Verbindung mit diesem prägenden Wappen diese Bedeutung hat.«